24. Dezember 2007
VON CHRISTA BURKHARDT
Drei Tage vor Weihnachten brannte mitten in der Altstadt von Weismain ein Fachwerkhaus nieder. In ihm starb der der jüngste Sohn der Familie, der dreijährige Vincent. Christa Burkhardt hat bei den Geistlichen der Stadt und dem Bürgermeister nachgefragt, wie die Menschen helfen und Anteil nehmen können - und wie eine Stadt in Trauer den heiligen Abend feiern kann.
Durch einen Brand verliert eine Familie nicht nur ihr Zuhause, sondern auch ihr jüngstes Kind. Was für Hilfe brauchen Menschen in so einem Fall am dringendsten?
Der katholische Stadtpfarrer Sebastian Palapparampil: Beistand. Man weint und fühlt mit der Familie. Ein Menschenleben ist unersetzlich. Ich habe die Familie in den wenigen Tagen seit dem Unglück oft besucht. Sie soll nicht allein sein, sich nicht allein fühlen. Die ganze Pfarrgemeinde ist gefragt, Beistand zu leisten. Wir fühlen wie eine Familie, und auch wir haben ein Mitglied verloren. Wir weinen mit den Eltern und Geschwistern.
Wolfgang Heidenreich, evangelischer Pfarrer in Buchau: Das ist eine schier unvorstellbare Tragödie. Der Schock sitzt tief. Es fehlen die Worte. Die quälende Frage nach dem Warum wird gestellt, hilft aber nicht weiter. Was für Hilfe brauchen Menschen in so einer Not? Zunächst war da natürlich die Katastrophenhilfe durch Feuerwehr, Ärzte und das Rote Kreuz existenziell wichtig. Angehörige, Freunde und Nachbarn haben sich mit großer Hingabe um die Familie gesorgt. Viele Notfallseelsorger haben versucht, den Opfern aber auch den Rettungskräften beizustehen. Es ist wichtig, dass die Familie auch und gerade in der kommenden Zeit auf das Angebot psychologischer und seelsorgerlicher Hilfe zurückgreifen kann. Zur praktischen Hilfe kommt das Fürbittengebet. Denn auf die Gemeinschaft, die mitfühlend ist, die stützt und Lasten mit trägt, kommt es jetzt an.
Wie reden die Eltern der Freunde des kleinen Jungen am besten mit ihren Kindern über den Tod des Jungen?
Pfarrer Sebastian: Eine schwierige Frage, denn Kinder fühlen, erleben und trauern anders als Erwachsene. Sie haben eigene Vorstellungen. Am Samstagvormittag noch wollten wir das Krippenspiel der Kinder absagen. Wir saßen alle zusammen, seine Schwester war dabei. Und dann entschied eine Gruppe Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter: Wir spielen trotzdem und gerade für ihn. Das war schwer, denn einer im Kreis fehlte. Vincent sollte nämlich mitspielen. Kinder trauern anders. Am Samstag haben sie ihren Weg eingeschlagen. Wir Erwachsenen sollten sie ihren Weg gehen lassen und sie darin bestärken.
Wolfgang Heidenreich: Ich denke, das ist keine leichte Aufgabe. Zu detaillierte Aufklärung könnte Ängste verstärken. Es wird wichtig sein, darauf zu achten, was die Kinder von sich aus wissen wollen. Welche Fragen beschäftigen sie wirklich? Es ist dabei nötig, wahrhaftig zu bleiben. Trauer und Schmerz können durch vorschnelle Antworten nicht beseitigt werden. Darüber hinaus aber haben wir als Christinnen und Christen die Möglichkeit, unsere Gefühle vor Gott zu bringen. Er allein kann helfen, wo menschliche Hilfe an ihre Grenzen stößt. Kinder haben dafür ein Gespür.
Drei Tage vor Weihnachten stirbt ein Kind. An Heiligabend wird die Geburt eines Kindes gefeiert. Wie kann man, wie kann Weismain in dieser Situation angemessen Weihnachten feiern?
Pfarrer Sebastian: Dieses Weihnachtsfest wird wahrscheinlich das schwierigste, das Weismain je erlebt hat. Alle Freude über die Geschenke, das Süße und die anderen "Beigaben" zum Weihnachtsfest wäre nur vorgegaukelt. Die Menschen hier müssen einen Weg finden, sowohl in aller Echtheit als auch in Trauer Weihnachten zu feiern. Der Weihnachtsgottesdienst wird ein anderer sein. Und das Kind, das heute kommt,
wird Vincent in seinen Armen halten.
Wolfgang Heidenreich: Das Kind, dessen Geburtstag wir an Weihnachten feiern, ist Jesus, der Retter. In ihm ist Gott selbst als Mensch auf diese Welt gekommen. Er kam in eine Welt, die von der Finsternis und den Schatten des Todes gezeichnet ist, wie es in der Bibel heißt. Er kam zu den Menschen, die nichts hatten, deren Lebensschicksal so ganz anders war als das vieler anderer Menschen. Die ersten Gäste an der Krippe waren Hirten, also arme Menschen, denen alles fehlte. Und so kommt Jesus auch heute nicht zuerst zu denen, die alles haben und denen es an Leib und Seele gut geht. Er kommt zu den schwachen, kranken, traurigen, hoffnungslosen Menschen. Die Dunkelheiten des Lebens können sehr traurig sein. Die Botschaft der Heiligen Nacht bringt die Hoffnung, dass sie nicht endlos sein müssen.
Udo Dauer, 2. Bürgermeister: Die Familie ist zunächst im Kreis weiterer Angehöriger aufgehoben und braucht erst einmal Ruhe und Beistand von Seelsorgern und Psychologen. In dieser Hinsicht können wir wenig tun. Ich bin aber auch sicher, dass die nächsten Tage für die Helfer, vor allem für die Feuerwehrleute, eine sehr, sehr harte Zeit werden, in der alles Erlebte immer wieder aufleben wird. Auch sie brauchen Unterstützung.
Wie sieht es in Weismain drei Tage nach dem Unglück aus?
Udo Dauer: Viele hier, auch ich selbst, bin immer noch geschockt. Ich habe selbst einen dreieinhalbjährigen Sohn. Als er mich am Freitagabend zu Hause begrüßt hat, habe ich geweint. Und ich bin sicher, das ging nicht nur mir so. Trotz allem bin ich sehr stolz auf meine Bürger. Was die Rettungskräfte getan haben, war übermenschlich. Wie schnell die Fieranten des Weihnachtsmarktes Platz für die Einsatzfahrzeuge gemacht hatten, wie die Nachbarn und Geschäftsinhaber die Familie und die Helfer hier unterstützten, mit Tee, belegten Broten, einem freundlichen Wort und und und, das war beeindruckend. In fast allen Geschäften stehen Spendenboxen für die Familie, im
katholischen Pfarramt werden immer wieder Sach- und Kleiderspenden abgegeben. Und in den nächsten Tagen werden sicher noch einige gute Ideen geboren, wie man helfen kann. Bei allem Mitleid und aller Betroffenheit darf es aber keinen Aktionismus geben. Zentrale Anlaufstelle für Sachspenden sollte einzig das katholische Pfarramt sein. Für Geldspenden wurde ein Spendenkonto eingerichtet.