17. November 2006
VON TIM BIRKNER
GEMÜNDA - "Die Mitglieder fühlen sich von ihrer Partei verarscht." Der Kreisvorsitzende der SPD, Michael C. Busch, fand auf der Jahreshautversammlung der SPD im Sportheim Gemünda am Mittwoch Abend deutliche Worte. Insbesondere die Erhöhung der Mehrwertsteuer liegt den Genossen schwer im Magen.
Erst machen sie Wahlkampf gegen eine Merkelsteuer von zusätzlichen zwei Prozent, dann stimmen die eigenen Abgeordneten in Berlin einer Erhöhung von drei Prozentpunkten zu.
"Das bescherte uns eine Menge von Austritten. Das dürfen wir weder vergessen noch verschweigen", rief Busch seinen knapp 50 Delegierten zu. "Prominentester Austritt ist der unseres ehemaligen Landrates Helmut Knauer. Die Gründe sind meistens die Bundespolitik, nicht eine Unzufriedenheit mit dem Kreisverband."
Busch redete engagiert und frisch, versuchte seine SPDler aufzumuntern. Sie zeigten mit verzagten "Genau"-Rufen, dass ihr Vorsitzender ihre Stimmung kennt und auch laut benennt.
Schwerer tat sich bei dieser Kritik an der Berliner Politik der Abgeordnete und Unterbezirksvorsitzende Dr. Carl-Christian Dressel. Er lobte die Zusammenarbeit im Kreis und fügte mit immer leiser werdender Stimme hinzu: "Dieser Dank kann nicht laut genug sein."
Er hatte es schwer an der Basis. Die Pausen, die er für Applaus vorgesehen hatte, nutzten die Delegierten, um zu schweigen. Dabei betonte Dressel, wie wichtig ihm die Basis sei: "Meldet euch, ich hebe euer Anliegen auf die Ebene, auf der ich bin. In den Parteivorstand kann ich es nicht tragen, denn da sitze ich leider nicht."
Die Basis schien das nicht sonderlich zu stören, sie schwieg. Sie schwieg, als Dressel die Ideen von Jürgen Rüttgers zum Arbeitslosengeld zerpflückte, sie schwieg, als er die Mehrwertsteuererhöhung verteidigte. Der dritte Prozentpunkt sei für die Länder. "Die Länder tanzen dem Bund auf der Nase herum. Ich sage euch: ja, so geht es."
Dr. Thomas Beyer, stellvertretender Vorsitzender der Landtagsfraktion, erwärmte die Herzen der Genossen schon eher. Er pochte in seiner Rede über die "Zukunftsperspektiven der Landtagsfraktion" immer wieder auf das Soziale. "Das Bayern der CSU ist ungerecht und bevorzugt die Interessen Einzelner." Der Sozialhaushalt bezeuge dies. Er beträgt zwei Milliarden Euro, bei einem Haushalt von gut 35 Milliarden. Die jetzt prognostizierten Steuermehreinnahmen fließen allerding nicht einmal teilweise in den Sozialhaushalt. "Da versuchen die in Berlin beinahe händeringend, 40 Milliarden zu verteilen. Im Sozialen wäre das gut angelegtes Geld." Damit traf Beyer das erste und einzige Mal an diesem Abend ins Herz der Partei. Spontaner Applaus von allen. "Er hat uns aus der Seele gesprochen", das war alles, was die Delegierten an Aussprache und Diskussion wünschten.
Sie durften noch eine Stellvertreterin des Kreisvorsitzenden nachwählen, nachdem Manuela Fischer aus Weidhausen sich aus persönlichen Gründen zurückgezogen hatte. Mit 45 von 46 Stimmen bekam Annett Lindner aus Rödental diesen Posten. Ihre bisherige Funktion als Schriftführerin konnte nicht besetzt werden.
Gastgeber Carsten Höllein, Sportvereinsvorsitzender und 3. Bürgermeister in Seßlach, munterte die Genossen auf: "Wir müssen auf unsere eigenen Stärken setzen", sagte er und plädierte auf kommunaler Ebene für gemeinschaftliches Handeln: "Gute Zusammenarbeit der Parteien im Stadtrat kann ja auch ein Standortfaktor sein."
"Die Menschen warten auf Signale, dass wir gemeinsam etwas für die Region tun und über Verwaltungsgrenzen hinaus denken", forderte Landrat Karl Zeitler, die vorhandenen Chancen zu nutzen.