VON TIM BIRKNER
COBURG ? Eine Erklärung des Jobcenters Coburg-Land sorgt bundesweit für Wirbel. Der Wuppertaler Verein Tacheles e. V. spricht davon, dass unabdingbare Rechte der Leitungsempfänger abgetreten werden sollen. Das Jobcenter sieht das naturgemäß anders: ?Wir haben nur übersichtlich zusammengefasst, was in den verschiedenen Gesetzen steht?, sagte Geschäftsführer Gerhard Schramm der Neuen Presse.
?Bei der Antragstellung auf Arbeitslosengeld II müssen Betroffene dem Jobcenter Coburg Land mit ihrer Unterschrift Sonderrechte einräumen und auf Bürgerrechte verzichten?, schreibt der Erwerbslosenverein Tacheles e.V. in einer Pressemitteilung und fordert den Alg II ? Träger nun dazu auf, das rechtswidrige Formular unverzüglich aus dem Verkehr zu ziehen. Wer im Jobcenter Coburg-Land einen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellt, muss eine Erklärung unterschreiben, die es nach Meinung von Tacheles in sich hat. Darin heißt es beispielsweise: ?Mir ist bekannt, dass meine Verhältnisse bei Bedarf durch unangemeldete Hausbesuche des Ermittlungsbeamten des JOBCENTERs überprüft werden können.? Eine Passage, bei der dem Harald Thomé von Tacheles der Hut hoch geht: ?Das widerspricht eindeutig der Unverletzlichkeit der Wohnung. Selbst angemeldete Hausbesuche dürfen nur als allerletztes Mittel angewandt werden, wenn ein Sachverhalt gar nicht anders zu klären ist.?
?Unser Ermittler, weiß, was er darf und was nicht?, entgegnet der Geschäftsführer des Jobcenters für den Leistungsbereich, Gerhard Schramm. Er belegt die gute Arbeit seines Ermittlers mit Zahlen: In den 26 Monaten, in denen es das AGLII nun gebe, hätte sich bislang nur ein einziges Mal ein Betroffener beschwert.
Noch ein Beispiel, das Thomé für rechtswidrig hält: ?Ich ermächtige das JOBCENTER Coburg Land, Auskünfte über mich bei anderen Behörden einzuholen und Akten / Unterlagen anzufordern, soweit dies zur Erfüllung der Aufgaben nach dem SGB II erforderlich ist.? Auch dies widerspreche den unabdingbaren Rechten eines jeden, findet Thomé. Für Schramm ist es einfach nur eine Zusammenfassung aus Passagen verschiedener Gesetze. ?Wir haben die Erklärung schon einige Male geändert. Momentan sehe ich dafür aber keinen Bedarf. Die Kunden sind froh, wenn sie ihre Rechte und Pflichten auf einem Blatt zusammengefasst vorfinden.?
Thomé hingegen ist alles andere als froh. Er möchte, dass das Jobcenter die Erklärung sofort zurückzieht. Für ihn ist die Erklärung an der ?Grenze zur Nötigung?. Er sagte der Neuen Presse, dass er sich nun an den Landesdatenschutzbeauftragten wenden werde und beim Bundesministerium eine Fachaufsichtsbeschwerde einreichen möchte.
?Wer sich weigert, den als ?ERKLÄRUNG? titulierten Vordruck zu unterzeichnen, läuft Gefahr, dass der Antrag auf Grundsicherungsleistungen von der Behörde erst gar nicht bearbeitet wird?, steht in der Pressemitteilung von Tacheles. Schramm widerspricht: ?Jeder Antrag wird bearbeitet, ganz egal, ob die Erklärung unterschrieben wurde oder nicht. Wenn einer diese Erklärung nicht unterschreibt, gibt es keine Konsequenzen.?
Das Papier enthält eine Mischung aus gezielten Falschinformationen und perfider Einschüchterung, findet Thomé. Die Coburger Praxis zeige ein krasses Beispiel von Behördenwillkür und die Rechtlosstellung von Alg II ? Beziehern, schreibt der Verein. Deshalb hat Tacheles im Internet eine Kritik der ?Coburger Erklärung? veröffentlicht, mit der anhand von 20 Einzelpunkten die nach Auffassung des Erwerbslosenvereins rechtswidrige Auslegung der Sozialgesetze durch das Jobcenter belegt wird.