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Ein Faible für Diagonalen

"Wer ein gutes Foto möchte, muss sein Gegenüber lieb haben - mindestens für ein Einhundertfünfundzwanzigstel." Foto: Tim Birkner

14. August  2010

Frank Schulz (45) fotografiert seit 23 Jahren für die Neue Presse. Seinen Blick durch den Sucher sehen am nächsten Tag Tausende von Lesern in der Zeitung, doch die Bilder sind seltener geworden. Vor vier Jahren warf ihn ein Tumor von heute auf morgen aus dem Berufsleben. Zwei Jahre später kehrte Frank ein Jahr zurück in die Zeitung, dann kehrte der Tumor wieder zu Frank zurück. Am Montag beginnt seine neunte Chemo-Therapie.  Für das Interview treffen wir uns im Cafe Sonderbar, wenige Meter von seiner Haustür entfernt. Frank zieht beim Laufen sein linkes Bein nach, sein linker Arm ist noch nicht so beweglich wie er es sich wünscht. Neben den Cappuccino legt er seine Leica M6 mit 35-Millimeter-Objektiv und Schwarzweißfilm.

Frank, was hast du als letztes fotografiert?

Du wirst lachen, das war gerade vor einer Viertelstunde ein Weinflaschen-Etikett.

Wie bitte?

Ja, ich archiviere gerade meine Weine. In meinem Wohnzimmer steht ein Weinkühlschrank, da nehme ich einfach eine Flasche raus, stelle sie auf den Tisch – dort ist das Licht aufgebaut – und fotografiere sie. Ich muss ja etwas haben, wenn das mit dem Fotografen nicht mehr klappt. Dann schule ich um auf Sommelier. (lacht) Derzeit habe ich einige Flaschen Rotwein, vor allem Rioja, daheim. Die Liebe für spanischen Rotwein teile ich übrigens  mit Louis van Gaal. Und als guter Franke liegen auch noch  Bocksbeutel im Keller, vor allem Riesling. Zur Spargelzeit liebe ich Riesling.

Kannst du dich noch an dein erstes Foto in der Zeitung erinnern? Was war da drauf?

Da war auch Alkohol im Spiel, aber nicht bei mir. Es war ein Fußball-Bild. Ich war zufällig bei einem Spiel, als ein Sportreporter nicht mehr konnte. Er lief zum Fotografieren auf den Rasen, völlig knülle, bis ein Kollege ihm die Kamera abnahm und sie mir in die Hand drückte. „Mach mal du lieber die Fotos.“ Eine Canon A-1 war das damals. Ich habe die Bilder gemacht und sie wurden gedruckt. Drunter stand freilich der Name des Sportreporters, nicht meiner. Aber das machte nichts. Ich war stolz – und es war der Beginn meines Berufes als Pressefotograf.

Nichts als Zufall?

Naja, ich habe schon vorher fotografiert. Schon zur Konfirmation habe ich eine Kamera geschenkt bekommen. Die habe ich gleich verkauft und zusammen mit dem übrigen Geld mir eine Nikkormat EL gekauft. Die habe ich heute noch. Als gelernter Polizist habe ich später in Würzburg bei der Bereitschaftspolizei die Dokumentationsfotos geschossen.  Anschließend war ich ein Lebenskünstler mit Haaren bis hier. (zeigt mit der rechten Hand zu seinem Hosenbund) Arbeitete als DJ, sowie teilweise in  einer Kneipe, und dann kam dieses Foto.

Zwischen einem Fußball-Foto unter dem nicht einmal dein Name stand und dem Foto eines Etiketts muss doch noch mehr passiert sein, oder?

(lacht) Vielleicht war es das Wichtigste, das ich zwei Jahre nach dem Fußball-Foto zur NP kam. Und Fußball war auch mein Ende. Ich habe noch im WM-Garten der Neuen Presse fotografiert, bis die Deutschen ausschieden, dann bin auch ich ausgeschieden. Das war am 6. Juli 2006, am 12. Juli war die erste Operation, am 5. Dezember dann die zweite.

Jetzt steht die neunte Chemo-Therapie an. Wie schaffst du das?

Das geht nur, wenn du an dich selbst glaubst – und an den lieben Gott. Dann stehst du auch die Schulmedizin durch. Ich hatte zum Glück einen sportlichen trainierten Körper, war fit und versuche wieder fit zu werden. Sicherlich ein Vorteil, wenn die Pillen kommen. An manchen Tagen liegen neun Stück vor mir. Die erste, um den Magen zu schützen, vor dem was folgt, dann die zweite, und so weiter.

Und die Bilder?

Ein Bild des Grauens. Ich bin froh, dass ich die Pillen zuhause nehmen darf. Da bin ich wenigstens im eigenen Bad mit Toilette, falls ich mir die Welt noch einmal ansehen darf.

Ich meine, wenn du heute – nach all dem - über deine Bilder blickst: Was hat sich verändert zwischen dem Fußball-Foto vor 25 Jahren und den Weinflaschen-Etiketten?

Meine Bilder sind liebevoller geworden. Du musst dein Gegenüber lieb haben. Daran führt kein Weg vorbei, wenn es ein gutes Foto werden soll. Den oder die zu Fotografierende musst du ins Herz schließen, sonst wird es nichts. Das ist das Zentrale: Verlieben für ein Hundertfünfundzwanzigstel – mindestens. Wenn du als Fotograf etwas Verrücktes willst, musst du es auch vormachen können. Glaubhaft. Und ich muss Respekt haben. Den hatte ich früher nicht immer. Das fängt mit dem Erscheinen an. Mit langen, ungewaschenen Haaren, den Geruch der Kneipe vom Vortag, ... das wird nichts. Egal ob Erwachsene, Würdenträger, Kinder oder Tiere, Respekt haben heißt, dein Gegenüber lieben und ihm auf gleicher Augenhöhe  begegnen. Dafür gehe ich in die Knie, dafür lege ich mich auf den Boden – notfalls auch in eine Pfütze.

Mitten in den Dreck.

Ja genau. Überhaupt sind Pfützen eines meiner Faibles. Die Welt spiegelt sich in Pfützen, ich muss ja nicht immer selbst drin liegen. (lacht) Von mir selbst habe ich ganz wenige Bilder bei mir in der Wohnung hängen. Eines aber vom Hamburger Hafen, das ist im Regen, mit Pfützenspiegelungen.

Wie groß?

Schon groß, einen Meter 40 mal einen Meter.

Das ist das größte?

Mit 130 auf 90 kommt dann einen Szene, die ich in Paris fotografiert habe. Ein Vater mit seinen beiden Kindern, der an einer Ampel wartet. Ich war auf dem Beifahrersitz eines Autos und wartete auch. Das kleine Mädchen verschränkt die Beine ein wenig komisch, das macht den Reiz des Fotos aus. Da war ich Paparazzi – obwohl ich das sonst gar nicht mag. Ich will einer zum Anfassen sein. Ich mag auch Teleobjektive nicht so gerne, die schieben alles zusammen. 50 Millimeter, das ist unser Blickfeld, darunter und darüber ist es Optik.

Was macht denn deine Fotos aus?

Ich habe ein Faible für Diagonalen. Und ich sehe immer das Bild bis zu seinen Grenzen. Beschnitt kommt bei mir nicht vor. Das Bild ist so, wie ich es mache. Fertig. Früher bin ich richtig in die Luft gegangen, wenn sie meine Bilder beschnitten haben. Heute sehe ich das entspannter.  Wenn das passiert, dann denke ich mir, schade, dann mache ich morgen einfach ein neues Bild. Fertig. Das ist ein Prinzip. Du hast zwei Möglichkeiten für das eine Leben, das dir Gott geschenkt hat: Entweder, du genießt es, oder du regst dich auf. Ich habe mich für das Genießen entschieden.

Können Fotos, können deine Fotos etwas bewirken?

Emotional auf jeden Fall. Wenn ich morgens zur Arbeit gegangen bin und ich da schon Menschen getroffen habe, die mir gesagt haben. „Mensch Frank, das war ein tolles Foto, was du alles siehst“, dann freue ich mich. Stell´ dich auf den Markt und dreh dich um. So einfach ist das. Doch die Leute machen das nicht. Sie laufen und ihr Blick ist auf das Pflaster und ihre Fußspitzen gerichtet. Das ist schade. Ich sehe die Bilder, auch jetzt, wo die Feinmotorik noch nicht ganz wieder da ist. Derzeit kann ich die Bilder nicht realisieren, aber ich sehe sie, schneller als du. Hier die Stuhlreihe, aus der man etwas machen kann, dort diese Perspektive. Momentan habe ich einfach nur eine Hand, und glaube mir, du stößt dauernd an Grenzen. Alleine wenn ich einen Socken anziehe... Aber nächstes Jahr, da arbeiten wir wieder miteinander.

Da freue ich mich. Aber willst du mit dieser Kamera kommen?

Die ist genial. Der Laie fürchtet sich nicht, weil sie klein ist, der Kenner schätzt sie. Meine Leica ist leise, schau: (drückt auf den Auslöser und ein leises Klicken ist zu hören). Im Theater war und ist das wichtig. Unauffällig sein. Freilich habe ich auch eine digitale Nikon, die 12 Bilder in der Sekunde macht. Ich kann das auch: Klackklackklackklackklack. Aber das macht keinen Spaß. Früher war mehr Vertrauen da. Von mir in den Film und die Technik, vom Gegenüber in mein Können. Heute ist das digital. Da heißt es, „darf ich das Bild mal sehen?“ Und dann ist die Stirn angeblich zu hoch oder der Blick zu mürrisch.  Und dazu kommt, dass ich gerade meine 12. Ausstellung vorbereite. Und weißt du, was passiert ist?

Keine Ahnung.

Ich war in Wien auf dem Wochenmarkt und habe perfekte Bilder geschossen. Als ich heim kam, war der Chip kaputt. Nichts ging mehr. Ich war stinkesauer. Und bei einer Ausstellung über  Märkte darf der Brunnenmarkt und Naschmarkt in Wien nicht fehlen...

Wien ist für dich besonders?

Absolut. Wien ist meine Stadt. Du solltest mich mal begleiten. Wien hat ein großes Herz und ist  auch herrlich morbide. Die Stadt hat einen schönen Bezug zum Tod. Zum Beispiel sagen sie „Das ist aber eine schöne Leiche“, natürlich im Dialekt. Aber alle sind ganz offen. Ich mag Wien einfach.

Gibt es denn Bilder, die du unbedingt noch machen möchtest?

Ja klar, erst einmal fehlt mir der Zentralfriedhof in Wien. Das habe ich noch nicht geschafft, obwohl ich gerne auf Friedhöfen bin – nicht erst seit meinem Tumor (lacht). Das ist einfach eine wunderbare Stimmung: frühmorgens erwachen langsam die Vögel und es kommt Leben in den Friedhof. Das klingt lustig, Leben im Friedhof, doch es ist so. Und dann möchte ich noch ein zweites Mal nach Havanna. Dann in Island vor einem Geisir sitzen und im richtigen Moment auf den Auslöser drücken. Und ich möchte noch ein Polarlicht live sehen.

Havanna?

Ja, das ist toll dort. Alles lebt. Die Menschen sind unglaublich lieb. Sie sind offen, hübsch und stolz – und sie freuen sich total, fotografiert zu werden. Das Flair dort, die Farben, der spanische Kolonialstil, das ist fantastisch. Und doch ist alles a weng morbide – da haben wir es wieder. (lacht)

Und Coburg?

Ist mein Zuhause. Mein Wohnzimmer ist der Schlossplatz, mein Garten ist der Hofgarten. Ich versuche, so viel wie möglich draußen zu sein.  Manchmal hat die Kondition nicht mehr bis zur Veste hoch gereicht, aber vor ein paar Tagen habe ich es wieder geschafft. Und ich schaffe es auch wieder zu euch. Nur muss ich den Arm wieder hin bekommen. Die Ergo-Therapie gibt mir Vorschläge – umsetzen muss ich sie. Daran arbeite ich gerade. Wie gesagt, nächstes Jahr bin ich wieder da. Und ich will wieder in der ersten Liga spielen.  Dafür müssen beide Hände fit sein. Ich habe eine Spülmaschine, aber ich spüle von Hand, schau (nimmt seine leere Cappuccino-Tasse mit der rechten Hand und gibt sie sich in die noch lahme linke). Ich muss es üben, immer wieder. Muskeln, die nicht verwendet werden, werden so schnell abgebaut, das glaubst du nicht. Ich habe meine Bilder im Kopf und ich bin weniger ehrgeizig geworden. Heute weiß ich, mein Bild ist gut, wo mein Name drunter steht, ist Qualität drüber.

Das war früher anders?

Natürlich. Ich wollte das beste Bild. Und besser und schneller als die Kollegen von dpa und Tageblatt sein. Früher wäre ich geil gewesen, die Störche in Kaltenbrunn vor die Kamera zu bekommen. Heute fahre ich vorbei, schaue hin und freue mich. So schlicht ist das. Ich brauche keine Kamera für jeden Sonnenuntergang. Heute gehe ich auf Konzerte ohne Foto und habe trotzdem meine Erinnerung. Alles im Kopf, ich trauere diesen Motiven nicht mehr nach.

Frank, danke für das Gespräch.

Das Interview führte Tim Birkner


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