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Eine schlechte Note macht nicht krank

1. Mai 2008

Wie gesund/krank sind Schüler heute und warum?

Eckhard Schiffer: Da stehen wir vor dem Paradox, dass in den letzten 100 Jahren die Kindersterblichkeit zwar deutlich zurückgegangen ist, in den letzten Jahrzehnten unsere Kinder und Jugendlichen aber immer mehr an Allergien, Süchten, Essstörungen, Übergewicht und Verhaltensstörungen leiden. Auch scheint die von innen her kommende Lebensfreude vielen Kindernund Jugendlichen vergangen zu sein.

Klaus Schnell: Die Häufigkeit bestimmter Erkrankungen ist tatsächlich deutlich höher als vor 20 Jahren. Da fallen mir zu den genannten noch ein: Aufmerksamkeitsdefizite und Hyperaktivitätssyndrom, verschiedene Teilleistungsstörungen, insbesondere im sprachlichen Bereich, aber auch eine Reihe psychosomatischer Erscheinungen wie Bauch- und Kopfschmerzen ohne organische Ursache. Dies sind natürlich alles keine neuen Erkrankungen, aber sie waren früher viel seltener. Die Ursachen sind vielfältig und liegenmeiner Ansicht nach nicht primär in der Schule. Ich zähle mal ein paar auf: veränderte Ernährungsgewohnheiten, also unregelmäßige Mahlzeiten und Fast Food, Mangel an Sport und Bewegung, Wegfall der traditionellen Familie: Patchworkfamilien oder allein erziehende Eltern, die mit Erwerbstätigkeit, Haushaltsführung und Erziehung ihrer Kinder überlastet sind, übermäßiger Medienkonsum, zu wenig Kommunikation in den Familien, mangelndes Vorbild seitens der Eltern.

Welche Facetten des Bildungssystems gefährden potenziell die Gesundheit?

Schiffer: Im Unterschied zum finnischen Schulsystem wird bei uns fast vollständig ausgeblendet, dass Lernen ganz viel mit Beziehung zu tun hat. Die finnische Pädagogik trägt schon seit 1970 offiziell den Beinamen "Pädagogik des Willkommenheißens und des Sich-Wohlfühlens". Wenn unsere Bildungsexperten ihre Wallfahrten nach Finnland machen, übersehen sie meist genau diesen Aspekt, weil sie dafür kein "Wahrnehmungsorgan" haben.

Ich dachte, in die Schule geht man, um zu lernen und nicht, um sich wohl zu fühlen.

Schiffer: Lernen kann nur, wer aufnahmebereit ist, wer wach ist und mit sich selbst im Reinen. Das ist hier mit sich wohl fühlen gemeint. Ich hatte im letzten Jahr das Vergnügen, den großen Internationalen Kongress "Jugend, Schule und Gesundheit" in Tampere mit einem Grundsatzreferat zur Salutogenese zu eröffnen.

Was ist denn Salutogenese?

Schiffer: Die Salutogenese basiert auf einem Perspektivwechsel in der Gesundheitsforschung. Denn die Salutogenese fragt nach dem, was den Menschen eigentlich gesund erhält. In der Unterscheidung dazu fragt das übliche Pathogenesekonzept danach, was den Menschen krank werden lässt. Das Salutogenesekonzept stammt vom Gesundheitssoziologen Aaron Antonovsky. Antonovsky entdeckte, dass das Kohärenzgefühl die entscheidende Grundlage von körperlicher Gesundheit ist.

Was ist denn das nun wieder?

Schiffer: Kohärenz bedeutet so viel wie Zusammenhang, Zusammenhalt, einen inneren und äußeren Halt haben. Sich innerlich und äußerlich getragen, gehalten fühlen und sich auch selber innerlich und äußerlich Halt verschaffen können. Es geht also um die innere Überzeugung: Ich kann die Welt verstehen, Probleme bewältigen und mein Leben selbst gestalten. Das ist übrigens auch das, was ich eben mit sich wohl fühlen meinte. Das Kohärenzgefühl entsteht von Geburt an in dem spielerisch-dialogischen Geschehen zwischen Mutter/Vater und Kind und kann sich in den schöpferisch-spielerischen Aktivitäten im Kindergarten und in der Schule weiter entfalten. Es sind übrigens insbesondere die schöpferischen Fächer, die für das Kohärenzgefühl bedeutsam sind. Allerdings nur unter einer Voraussetzung: das, was ein Kind schöpferisch hervorbringt, darf nicht bewertet und damit möglicherweise entwertet werden! Für die schöpferischen Fächer sollte es also keine Noten geben. Die Finnen sind da radikal, sie verzichten auf Noten in den ersten sieben Schuljahren ganz und gar.

Verstehe ich Sie richtig, dass Noten gute Leistungen verhindern können?

Schiffer: Über das schöpferische Handeln kann ein starkes Kohärenzgefühl entstehen. Und das ist die Voraussetzung für gutes Lernen. Unter Angst - auch wenn wir die Angst gar nicht unmittelbar spüren - lernen wir deutlich schlechter, können bei schwierigen Aufgaben keine kreativen Lösungen entwickeln. Das hat aus medizinischer Sicht damit zu tun, dass unter dauerndem Stress der damit einhergehende erhöhte Cortisol-Spiegel den Umbauunter den Verknüpfungen der Nervenzellen behindert, der mit dem Lernprozess einhergeht. Angstfrei, also vor dem Hintergrund eines starken Kohärenzgefühles, lernen wir einfach besser.

In deutschen Schulen herrscht aber viel Angst unter den Schülern. Darauf hat vor einigen Wochen die Familienministerin Ursula von der Leyen hingewiesen. Eltern von Schulkindernerleben die Folgen unmittelbar.Wie muss Schule aussehen, damit sie die Gesundheit der Kinder fördert - oder wenigstens nicht gefährdet?

Schiffer: In der Schule sollte in den schöpferischen Fächern das Kohärenzgefühl gefördert werden. Dafür müssten diese zum einen aufgewertet werden und zum anderen dürfte es hier mindestens in den ersten sechs Schuljahren keine Noten geben. Darüber hinaus muss die Schule die Eltern als Verbündete gewinnen.

Wie meinen Sie das?

Schiffer: Zuhören lernen die Kinder nur von Eltern, die ihnen selbst auchzuhören - und nicht vor irgendeinem Bildschirm hängen. Und die Grundlagen für das Kohärenzgefühl werden in Spiel und Dialog in einem breitem Umfang schon in den ersten sechs Lebensjahren gelegt. Darüber hinaus ist im häuslichen Umfeld entscheidend, dass die Kinder ihre Welt mit allen Sinnen einschließlich ihres Bewegungssinnes erfahren und nicht vor einem Medium gefesselt sind. Der Medienkonsum muss drastisch reduziert werden, sonst werden die Kinder immer trauriger, dümmer und dicker. Das ist empirischnachgewiesen und wird auch durch die Ergebnisse der Neurobiologie bestätigt.

Schnell: Gesundheitsförderung muss schon im Säuglingsalter beginnen undinsbesondere im institutionellen vorschulischen Bereich, also im Kindergarten, etabliert werden. Die Schule wie der Vorschulbereich müssen bei den Schülerinnen und Schülern Kompetenzen und Haltungen, die ihre Bereitschaft zum lebenslangen Lernen stärken und sie befähigen, in einer sich verändernden Gesellschaft ein erfolgreiches und gesundes Leben zuführen.

Machen schlechte Noten krank?

Schnell: Eine schlechte Note macht nicht krank. Häufen sich die schlechten Noten aber und verteilen sich auf mehrere Fächer so sehen wir häufig psychosomatische Beschwerden wie Bauchschmerzen oder chronische Kopfschmerzen. Hier ist in jedem Einzelfall zu hinterfragen, worin die schlechten Noten begründet sind. Häufig sind sie Ausdruck einer Überforderung. Hier sind Schule und Elternhaus gefragt, die Ursachen zu ergründen und zu helfen.

Welche Herausforderungen bringen Prüfungssituationen mit sich?

Schiffer: Prüfungssituationen bedeuten Stress. Aber ich weise nochmals darauf hin, ich muss es schon wieder sagen: Kinder mit einem starken Kohärenzgefühl können Prüfungssituationen besser überstehen.

Schnell: Gemäß der humanistischen Weisheit "non scholae, sed vitae discimus" (Wir lernen für das Leben, nicht für die Schule), sollte man immer wieder fragen: Wie relevant sind die Bildungsinhalte für das zukünftige Leben der Schüler? Dann entfernen wir uns auch Schritt für Schritt vom bloßen Fakten-und Datenpauken und bewegen uns endlich hin zu einem fachübergreifenden, ganzheitlichen Lernen. Aus meiner Sicht sind jedoch Prüfungen als Verständnis- und Wissenskontrolle für die Lehrkraft, die Eltern und nichtzuletzt den Schüler/die Schülerin selbst unumgänglich. Auch in der Ausbildung, im Berufs- und im Privatleben müssen wir Menschen immer mal wieder brenzlige Situationen nicht nur überstehen, sondern am besten gestalten. Immer wieder muss man als Mensch punktgenau die bestmögliche Leistung bringen. Wichtig ist für Schüler aber, dass die Prüfungen, dem Entwicklungs- und Ausbildungsstand der Schüler gerecht werden. Ein"gesunder" Schüler verkraftet Prüfungssituationen ohne Einbußen seiner Gesundheit.

Sind eigentlich auch die Lehrer kränker als früher?

Schiffer: Schüler und Lehrer sind heute eindeutig weniger gesund als vor 40 Jahren. Die Berufsgruppe, die am ehesten in den vorzeitigen Ruhestand geht, ist die der Lehrer und zwar aufgrund psychosomatischer Krankheiten. Und es sind interessanterweise ja ebenfalls psychosomatische Symptome oder Krankheiten, mit denen die Schüler zu kämpfen haben.

Interview: Christa Burkhardt

Dr. Klaus Schnell

Dr. Klaus Schnell (Abiturjahrgang 1981) studierte Medizin in München. Nach
seiner Assistenzarztzeit an der Universitätskinderklinik Erlangen, am
Klinikum Bamberg und am ehemaligen Landkrankenhaus Coburg ist er seit 1998
als Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in eigener Praxis in Coburg
niedergelassen. Er hat drei Kinder, die zwei älteren besuchen derzeit noch
das neunstufige Gymnasium, der jüngste Sohn wird im nächsten Schuljahr seine
achtjährige Gymnasialzeit beginnen: Er ist äußerst gespannt darauf, in der
eigenen Familie Erfahrungen mit der gymnasialen Reform zu machen.

Dr. med. Eckhard Schiffer

Dr. med. Eckhard Schiffer, Jahrgang 1944, studierte Medizin und Philosophie.
Aufbau und Leitung der Psychsomatischen Abteilung mit
familientherapeutischem Zentrum am Christlichen Krankenhaus Quakenbrück
(Allgemeinkrankenhaus). Seine wissenschaftlich-publizistischen Schwerpunkte
sind Salutogenese und Prävention im Kindesalter insbesondere bei Sucht,
Gewalt und Lernstörungen.
Bücher: "Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde" (15. Aufl.), zusammen
mit Ehefrau Heidrun (Grundschullehrerin): "Nachdenken über Zappelphilipp
(ADS): Beweggründe und Hilfen". "LernGesundheit - Lebensfreude und
Lernfreude in der Schule und anderswo". "Warum Tausendfüßler keine
Vorschriften brauchen - Intuition. Wege aus einer normierten Lebenswelt".


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