31. Juli 2010
Wenn sein Heißluftballon abhebt und über die Landschaft schwebt, lässt Ulrich Junghans schlagartig jeden Stress hinter sich.
Dörfles-Esbach - "Wer kann schon von oben in den Wald schauen?", fragt Ulrich Junghans. Und die Antwort ist klar: Das können nur Ballonfahrer. Sie fahren niedrig, sie fahren langsam. "Das ist eine andere Welt. Von einem Augenblick auf den nächsten kann ich allen Stress ablegen", sagt der 50-jährige Familienvater, Unternehmer und Ballonfahrer.
Das ist die Reihenfolge, in der er handelt, erst die Familie, dann die Firma und zum Schluss der Sport. 40 bis 50 Fahrten versucht er im Jahr zu schaffen. Er steigt mit dem Ballon auf, um selbst wieder herunterzufahren von dem Tempo, das in seinem Beruf herrscht. "Früher haben wir Briefe geschrieben und innerhalb einer Woche mit der Antwort gerechnet. Heute schreibt jeder E-Mails und ruft sofort an, wenn nicht innerhalb von fünf Minuten eine Antwort kommt."
Sein Schwager und er sind die einzigen mit Ballonfahrerlizenz im Landkreis Coburg, deutschlandweit gibt es rund 1100. Manche von ihnen fahren gewerblich, nehmen so viele Menschen mit, wie Platz im Korb ist.
Andere fahren sportlich und nehmen an Wettbewerben teil wie dem "Fly in". Dabei wird ein Kreuz - beispielsweise auf einem Sportplatz - markiert. Die Ballonfahrer starten dann von einem beliebigen Startplatz, der zwischen zehn und 15 Kilometer entfernt ist. Ziel ist es, vom Ballon eine Marke möglichst genau bei dem Kreuz abzuwerfen.
Der Haken: Ein Ballon ist nur in der Höhe zu steuern. Stärkere Flamme und heißere Luft innerhalb der Hülle - und der Ballon steigt nach oben. Kühlt die Luft ab, geht es nach unten. Alles andere besorgt der Wind.
Das gilt für alle, auch für die dritte Gruppe der Freizeitfahrer, zu der sich Junghans zählt. Also beobachten Ballonfahrer das Wetter. Die Dienste im Internet geben an, in welcher Höhe wie stark und aus welcher Richtung der Wind bläst. Nur mit diesem Wissen kann Junghans seine Ballonfahrt planen. Zum Beispiel von Bad Rodach aus zurück nach Dörfles, wie am vergangenen Dienstag. Gerne startet er auch von den Wiesen der Rosenau oder im Itzgrund. Junghans fährt dann mit seiner Familie oder mit Kunden.
"Viele sind am Anfang aufgeregt", erzählt er. Junghans erkennt das am Schweigen. Andere können schwer von ihrem Mobiltelefon lassen und telefonieren auch während der Fahrt. "Spätestens nach einer Viertelstunde sind sie aber alle total relaxt", beobachtet er. In der Luft geht alles langsam, maximal 16 Kilometer pro Stunde, meistens noch etwas weniger. "Da sehen Sie jeden Feldweg, jeden Hasen und jedes Reh", schwärmt er von den Ausblicken, die nur eine Ballonfahrt bieten kann.
In den Sommermonaten sind die Fahrten nur am Morgen und am Abend möglich, im Winter geht es auch tagsüber. Der Grund ist die Thermik. Sie ist für Segelflieger notwendig, für Ballone hingegen Gift. Momentan dauern die Fahrten daher eine oder eineinhalb Stunden, im Winter kann es länger und weiter werden. Junghans fuhr im Winter schon über den Thüringer Wald nach Erfurt oder mehr als fünf Stunden nach Dresden.
"Im Sommer hat die Luft innerhalb der Hülle 100 bis 110 Grad, damit er aufsteigen kann", sagt Junghans. Im Winter genügen 60 bis 70 Grad, weil die Außentemperatur niedriger ist. "Damit reicht das Gas im Winter auch länger." Vier Flaschen mit jeweils 50 Litern Gas hat er auf seinem großen Ballon an Bord. Auf einer normalen Sommerfahrt verbraucht er rund eine Flasche.
Ballonfahren ist aufwändig. Vier Leute sind zum Aufbau notwendig, und jede Fahrt braucht einen Verfolger, der mit Kleinbus und Anhänger dem Ballon zum Landeplatz folgt. "Die Ballonfahrer sind im Element und wissen nicht, wo sie ankommen", sagt Junghans. Dafür werden sie mit einem unvergleichlichen Ausblick belohnt: "Unsere Berge und Täler sind nicht zu groß und nicht zu klein, die Blüte der Rapsfelder - die Landschaft bei uns ist einfach der Hammer."
Tim Birkner