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Grüner Punkt auf großer Fahrt

92 Prozent des Mülls, der in Blumenrod sortiert wird, kommt von außerhalb. In einer Schicht arbeiten sieben Mitarbeiter. Foto: Tim Birkner

14. März 2008

Blumenrod - Die Idee ist schlicht und einfach: Im Supermarkt an der Kasse zahlt jeder Verbraucher für den Müll, den er mit nach Hause nimmt. Dafür wird dieser Müll getrennt wieder eingesammelt, sortiert und verwertet. Ein Kreislauf, der für ein gutes Gewissen sorgen soll und natürlich die Umwelt schonen. Das war die Idee des "Grünen Punktes". Wer heute als Hersteller seine Milch in Tetra-Packs verkaufen möchte, muss für den Punkt 75,20 Cent pro Kilo Kartonverbundverpackung bezahlen. Eine leere Milchtüte wiegt rund 60 Gramm, macht knapp 5 Cent, die der Verbraucher an der Kasse für den Punkt mit bezahlt.

Das ist ein lukratives Geschäft. Daher hat der "Grüne Punkt" auch Konkurrenz bekommen. Da gibt es "ecopunkt" oder "landbell". Insgesamt hat der "Grüne Punkt" in Bayern acht Konkurrenten. Insbesondere die großen Entsorger, wie Remondis (ehemals RWE), Veolia (die an der Sortieranlage Blumenrod beteiligt ist), Sita oder Alba sind an eigenen Punkten interessiert. So können sie die gesamte Kette von der Lizensierung über die Sammlung und Sortierung bis zur Verwertung beherrschen und daran verdienen.

Die Sammlung und Sortierung war bis vor fünf Jahren in einer Hand. In Blumenrod im Landkreis Coburg stand die Sortieranlage, die Kunststoffreste aus der Region bereits sortiert auf die verschiedenen Lizenz-Anbieter verteilte. Betriebsleiterin Veronika Peter musste sicherstellen, dass Milchtüten und Joghurtbecher gerecht unter den neun nbietern aufgeteilt wurden. Eine Clearingstelle für Bayern legt pro Vierteljahr fest, welches System wie viel von dem Müll bekommt. Der "Grüne Punkt" liegt momentan bei 55 Prozent. Von 100 Milchtüten musste Frau Peter also 55 Tüten an den "Grünen Punkt" liefern, die übrigen acht Konkurrenten mussten sich die 45 restlichen Tüten teilen.

Doch seit drei Jahren dürfen alle neun Punkt-Anbieter die Sortierung ihres Anteils selbst in die Hand nehmen. Das heißt: Der gelbe Müll der unterschiedlichen Systeme wird zwar noch zentral von einem Unternehmen gesammelt, aber nach der Sammlung bereits auf die Anbieter aufgeteilt. Jeder der neun Anbieter kann dann seine Mengen dort sortieren lassen, wo er es wirtschaftlich für sinnvoll hält. Dafür schreibt er sogenannte Fix- und Variomengen aus.

Um eine Milchtüte im Coburger Land bewerben sich also insgesamt 18 Sortieranlagen, die die Tüte gerne wieder von Folien und Jogurtbechern trennen würden. Am attraktivsten sind die Fixmengen, denn sie werden für drei Jahre ausgeschrieben. Die Anlagen können fest mit den Mengen und damit auch mit den Einnahmen rechnen. Die großen Anbieter haben ihre eigenen Anlagen, die bis zu 100 000 Tonnen pro Jahr sortieren können. Zum Vergleich: In der Stadt Coburg fallen derzeit rund 1000 Tonnen pro Jahr an, im Landkreis Coburg 1800 Tonnen, im Landkreis Lichtenfels 1400 Tonnen und im Landkreis Kronach 1600 Tonnen. Das bedeutet weite Wege für den Müll, denn solch riesige Anlagen sollen ja möglichst ausgelastet sein. Ein Transportweg vom Bodensee nach Brandenburg ist da nicht außergewöhnlich.

Was Sortieranlagen wie in Blumenrod bleibt, sind Bewerbungen um die variablen Mengen. Der Haken dabei: Sie werden nur für ein Jahr ausgeschrieben und werden nur bedient, wenn das fixe Kontingent ausgeschöpft ist.

Wenn früher 100 Prozent des Mülls aus Coburg, Kronach und Lichtenfels in Blumenrod sortiert wurden, so sind es heute nur noch 19 Prozent. Das ist nicht einmal ein Zehntel der Jahresmenge, die in Blumenrod sortiert wird. Das Gros der Milchtüten aus Stadt und Land macht sich auf die Reise nach Leipzig (Alba), Gera (Veolia) und Ilmenau (Remondis). Dort stehen die Anlagen der Branchengrößen, die natürlich zuerst ausgelastet werden sollen.

Für Frau Peter in Blumenrod heißt das, neun von zehn gelben Säcke, die ihre sieben Mitarbeiter pro Schicht sortieren, müssen von anderswo kommen. Aus 19 verschiedenen Stadt- und Landkreisen werden dafür Milchtüten und Jogurtbecher nach Blumenrod gefahren. Manche haben bereits mehr als 100 Kilometer Fahrt hinter sich, bevor sie sich über die Förderbänder bewegen. "Alles muss tatsächlich gefahren und mit Wiegescheinen belegt werden", sagt Peter. "Der Nachweis einer ordnungsgemäßen Verwertung ist nur dann erfolgt, wenn auch der Transport der Kunststoffe zwischen den Betrieben lückenlos nachgewiesen werden kann", heißt es dazu lapidar in den Verträgen, die beispielsweise der "Grüne Punkt" anbietet.

Noch schlimmer als die weiten Wege sind für die Sortieranlage in Blumenrod die kurzen Laufzeiten. "Erst im Oktober wissen wir, ob und wie es im nächsten Jahr weiter geht", beschreibt Peter die Situation. Einer der Gesellschafter, Thomas Mühlherr von der Firma Kraus & Sohn in Lichtenfels, überträgt das auch auf anstehende Investitionen: "Ein Lkw hat heute eine Lieferzeit von einem Jahr. Bei Verträgen von einem Jahr ist der Laster da, wenn der Vertrag bereits abgearbeitet sein sollte. Selbst easing-Verträge sind häufig zu langfristig. Die Tendenz geht dazu, Mitarbeiter und Fahrzeuge zu mieten, ob wir wollen oder nicht."

Zu ändern ist nicht viel. Das Verfahren zur Ausschreibung und Vergabe ist auf Anregung des Kartellamtes im Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz festgeschrieben. Mühlherr nimmt es mit Galgenhumor: "Darüber lacht ganz Europa."

Tim Birkner


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